Noemi Prosenz und Geraldine Salazar Vollé
Auslandspraktikum: Wintersemester 2018/19
Bachelor Expressive Arts in Social Transformation (EAST)
Wir, Geraldine Salazar Vollé und Noemi Prosenz, Studentinnen des Bachelorstudiengangs Expressiv Arts in Social Transformation (EAST), absolvierten vom 11. Dezember 2018 bis zum 11. Februar 2019 ein Praktikum im Kidsnest, einem Krisenzentrum der Kinder- und Jugendschutzgesellschaft der Kinderfreunde Niederösterreich in Amstetten. Amstetten ist eine Stadt im Südwesten Niederösterreichs, dem Mostviertel. Sie ist Sitz der Bezirkshauptmannschaft Amstetten und zählt 23.656 Einwohner.
Das Krisenzentrum Amstetten ist eine stationäre, diagnostische Kurzzeitunterbringung (drei bis sechs Monate), welche im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe ermöglicht wird. Es stehen acht Plätze zur Verfügung, die von Jugendlichen in akuten Problemsituationen im Alter von 13 bis 18 Jahren belegt werden. Die Begründungen des Aufenthalts können sehr verschieden sein, jedoch stellen akute familiäre Krisensituationen sowie psychosoziale Problem- und Gefahrensituationen die häufigsten Gründe dar. So ist zum einen häufig eine kurzzeitige räumliche Trennung vom sozialen Umfeld von Nöten oder erscheint sinnvoll, um das familiäre wie auch das professionelle System kurzzeitig zu entlasten. Zum anderen dient die Unterbringung der klinisch-diagnostischen Abklärung. Die Zuweisung der Jugendlichen erfolgt durch die Kinder- und Jugendhilfe und die Situationsabklärung mit der fallführenden Fachkraft für Sozialarbeit. Zudem muss eine Übertragung der »Pflege und Erziehung«, also eine Vollmacht, an das Krisenzentrum abgetreten werden. Teenager, die einer akuten Selbst- bzw. Fremdgefährdung ausgesetzt sind, unter einer Drogensucht oder einer psychischen Krise leiden, können nicht aufgenommen werden. Ebenfalls kann es passieren, dass das Krisenzentrum überbelegt ist und so eine Aufnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt abgelehnt werden muss. Ziel des Aufenthaltes ist es, eine Lösung der Krisensituation zu finden. So gehört zum Kernauftrag des Krisenzentrums, die Krisenintervention und emotionale Stabilisierung. Weitere wichtige Bestandteile der Arbeit des Krisenzentrums Amstetten sind die Klärung bezüglich einer möglichen Rückführung oder einer Fremdunterbringung (z.B. in einer Wohngemeinschaft), therapeutische Interventionen, Familien- bzw. Elternarbeit, Schaffung bzw. Wiederherstellung einer Gesprächsbasis und des familiären Systems und eine klinisch-psychologische Diagnostik sowie umfassende Abklärung (sozialpädagogisch, psychotherapeutisch, medizinisch etc.). Dabei wird insbesondere ein Fokus auf das Finden, Entwickeln und Umsetzen von Zukunftsperspektiven und Ressourcen gelegt wie auch auf das Schaffen und Vernetzen von Unterstützungssytemen. Die Betreuung vor Ort erfolgt durch ein multiprofessionelles Fachpersonal, bestehend aus SozialpädagogInnen, PädagogInnen, klinischen PsychologInnen, Psycho-/GestalttherapeutInnen und SozialarbeiterInnen.
Unser Praktikum war als künstlerische Projektwerkstätte ausgelegt, in der wir zu einem ausgewählten Thema täglich mit Jugendlichen im Krisenzentrum künstlerisch gearbeitet haben. Mithilfe künstlerischer Zugänge sollte diesen ermöglicht werden, sich mit den Fragestellungen nach der eigenen Identität, dem »Wo komm' ich her - wo will ich hin?« wie auch zum Thema »(Ab-)Druck - Welche Spuren kann/möchte ich hinterlassen?« auseinanderzusetzen und sich der Wahrnehmung des eigenen Ichs, den eigenen Fähigkeiten und Ressourcen und der Auseinandersetzung mit neuen Wegen des Ausdrucks zu nähern. Die Intention war, die Fähigkeit zur Selbstermächtigung, den Abbau alter Handlungsmuster und das Entdecken eigener Stärken und Fähigkeiten zu stärken, um neue Handlungsräume zu eröffnen. Unser Aufgabenbereich hat sich ausschließlich mit der künstlerischen Arbeit der Jugendlichen befasst. In der Umsetzung hatten wir sehr viel Freiraum und arbeiteten zwar in den groben Strukturen des Krisenzentrums, waren allerdings nicht in den Alltag der Jugendlichen, fern des künstlerischen Arbeitens, involviert. Wir haben unsere Termine mit den jeweiligen Jugendlichen autonom vereinbart. Insgesamt haben wir mit sieben Jugendlichen im Alter von 13 bis 16 Jahren intensiv künstlerisch gearbeitet, sowohl im Einzelsetting, als auch im Gruppensetting. Wir arbeiteten mit dem Thema »Wer bin ich? Wer könnte ich alles sein?« wie auch mit den Fragestellungen »Wie gehe ich mit Druck um? Welchen Abdruck hinterlasse ich?«. Dazu nutzten wir die Methode der künstlerischen Dezentrierung, mit einem niederschwelligen, ressourcenorientierten und wertschätzenden Fokus.
Zum Abschluss hatten wir eine Ausstellung in der KIAM Galerie in Amstetten organisiert, in welcher die Werke der Jugendlichen, welche in den Einzelsettings, sowie auch in den Gruppensettings, entstanden waren, ausgestellt wurden. Mit der Ausstellung sollte noch einmal die Wertschätzung der vollbrachten Kunstwerke in den Vordergrund gerückt werden. Zur Vernissage kamen einige Kunstinteressierte wie auch regionale Politiker, welche den Jugendlichen bis dahin fremd waren. Es löste Begeisterung bei ihnen aus, dass sich auch Menschen für ihre Werke interessierten und begeisterten, die sie nicht kannten. Einige von ihnen konnten benennen, dass es sie sehr freute, dass diese Menschen sie als Künstler und nicht als Problem wahrnehmen, und dass das ziemlich cool wäre. Auf diese Weise konnten wir den Bogen zur Themenstellung »Wer könnte ich alles sein?« unter der Berücksichtigung individueller, vorhandener Ressourcen schließen und haben so einen gelungenen Abschluss geschaffen.
Für unser Praktikum in Amstetten wurden wir durch das Erasmus+-Programm gefördert. Wir konnten damit die Kosten des Aufenthalts aufgrund sehr günstiger Unterkunft decken und können ein Praktikum in Österreich nur weiterempfehlen. Schlussfolgernd können wir sagen, dass uns das Praktikum im Hinblick auf die künstlerische Arbeit in sozialen Kontexten sehr viel gebracht hat, einerseits haben wir viel Neues dazugelernt, anderseits Studieninhalte und anders angeeignetes Fachwissen vertieft. Zu der Arbeit mit Jugendlichen als Zielgruppe konnten wir einen Zugang finden und können uns gut vorstellen, diese in Zukunft weiter zu führen. Ebenso haben sich uns unsere individuellen Stärken aufgezeigt, welche uns in der Zukunft möglicherweise in die Richtung der Kunsttherapie leiten werden.