» Gestern war zu intensiv zum Schreiben, deshalb setze ich mich heute dafür hin. Ich weiß nicht, ob man sich vorstellen kann, was ich erlebe. Ich gehe jeden Tag mit verschiedenen Leuten mit und habe keine konkrete Ahnung, was auf mich zukommt. Langsam gewöhne ich mich daran, einfach alles so hinzunehmen, wie es kommt. Auf jeden Fall habe ich gestern Bukuru getroffen, der Leiter der Theatergruppe, bei dem ich für eine Zeit mitwirken darf. Wir sind zur Schule gegangen, zusammen mit drei anderen Gruppenmitgliedern, deren Namen ich leider vergessen habe. Sie sind ungefähr 12 Jahre alt. Wir haben lange mit der Schuldirektorin gesprochen, und sie hat heimlich tausende von Fotos von mir gemacht. Schließlich fragte sie mich doch noch, ob sie welche machen darf, und ich sagte, ich möchte nur gemeinsam mit der ganzen Gruppe fotografiert werden, weil wir schließlich ein Team sind. Ich habe sie deutlich verärgert, aber es war mir egal. Die Kinder standen im Schatten, obwohl sie die eigentlichen Künstler/innen sind. Ein 6-Jähriger ist für uns Softdrinks kaufen gegangen. Die Schuldirektorin hat mich ins Lehrerzimmer gebracht und vorgestellt, das einzige Wort, das ich verstanden hatte, war „Sponsoring“, und ab da ist meine Stimmung richtig gekippt. Ich hatte 8 Bukuku darauf angesprochen, ich sei nicht hier, um Geld zu geben. Er meinte, er wisse das. Aber auch er hatte das Wort „Sponsoring“ mehrfach verwendet. Ich wusste nicht, ob wir nur hier sind, um zu reden, oder auch zum Performen. Schließlich wurden wir in den „Drama- Raum“ eingeladen, und ich war erst überrascht und dachte: „Wie cool, dass sie einen Drama- Raum haben!“ Natürlich war es jedoch kein eigener Raum, sondern sie hatten einfach die Bänke eines normalen Klassenzimmers zur Seite gestellt. Ich war begeistert und dachte mir: „Ja, warum auch nicht? Um kreativ zu sein, braucht man nicht unbedingt einen speziellen Raum oder besondere Kleidung oder Bösner Stifte.“ Die Kinder strömten auf mich zu, klebten von außen an den Fenstern, riefen mir zu und stritten sich darum, wer neben mir stehen darf und wer mich berühren darf. Ich fühlte mich sehr unwohl. Alle saßen am Boden, nur mir wurde ein Stuhl angeboten. Ich wusste nicht, was passieren würde, aber schon bald kamen Trommeln ins Zimmer und die Augen meiner Mitperformer/innen glühten auf. Ein Junge ging schnell nach draußen und brach einen Ast von einem Baum ab, um Drumsticks daraus zu machen. Bukuku leitete ein Spiel an: Jeder, der die falsche Zahl sagte, schied aus. Ich sagte die falsche Zahl, und alle meinten, ich dürfte bleiben. Natürlich ging ich aus. Danach musste ich zu jeder Schülerin und jedem Schüler gehen und die Frage übersetzen: „Warum hast du in der Schule nicht aufgepasst?“ Ich hätte es böse sagen sollen, aber ich sagte es lächelnd. Danach haben wir getanzt. Immer wieder wurde auf die Trommeln eingeschlagen. Alle wussten, was zu tun war, und sie forderten mich auf, mitzutanzen. Es hat Mut gekostet, aber ich habe mich darauf eingelassen und hatte auch ein bisschen Spaß, obwohl ich wirklich nicht wusste, was gerade abging. Die Mädchen - wie sie ihre Hüften schwingen können!
Ich empfand es sogar bisschen komisch und sexuell aufgeladen die Popos und Brustkörbe von so jungen Mädchen wackeln zu sehen aber ich glaube hier hat das kulturell eine ganz andere Bedeutung. Die Männer nahmen ihre Schuhe, symbolisch für ein Schwert, während die Schuhe der Frauen für einen Korb standen. Ich hatte den Eindruck von Jägern und Sammlern. Ich fühlte mich wie eine berühmte Person, ein Sinnbild für Geld und Rettung, und dachte, ich verstehe, wie die sich wohl fühlen müssen - mit tausend Zuschreibungen, ohne eigentliches Interesse oder Kennen dieser Person, die sich hinter dieser, in meinem Fall, weißen Fassade, verbirgt.«