Es wird angenommen, dass akuter Stress die exekutive Verarbeitung von Stimulus-Informationen beeinträchtigt, obwohl die bisherigen Studien heterogene Ergebnisse erbracht haben. Die temporale Flankierungs-Aufgabe, bei der einem Zielreiz ein Distraktor von unterschiedlichem Nutzen vorangestellt wird, bietet ein Mittel zur Untersuchung verschiedener Komponenten, die an der Anpassung der Informationsverarbeitung und Konfliktkontrolle beteiligt sind. Sowohl Verhaltens- als auch EEG-Daten, die mit dieser Aufgabe gewonnen wurden, deuten auf eine stärkere distraktorbezogene Antwortaktivierung unter Bedingungen hin, die mit einem höheren Vorhersage-Wert des Distraktors für den kommenden Zielreiz verbunden sind.
In zwei Experimenten untersuchten Prof. Dr. Susanne Vogel, Prof. Dr. Markus Mühlhan und Prof. Dr. Mike Wendt (ICAN) mit Kolleg:innen der Helmut Schmidt Universität und der Universität Marburg die distraktorbezogene Verarbeitung und Konfliktkontrolle nach der Induktion von akutem Stress (Trier Social Stress Test). Obwohl sich die gestressten Gruppen in Bezug auf Verhaltensmarker der Aufmerksamkeitsanpassung (z. B. Proportion Congruent Effect) oder ereignisbezogene sensorische Komponenten im EEG (z.B. posteriores P1 undN1) nicht signifikant von den ungestressten Kontrollgruppen unterschieden, zeigte das lateralisierte Bereitschaftspotential unter Stress eine reduzierte Aktivierung durch (prädiktive) Distraktorinformationen. Unsere Ergebnisse deuten auf eine flexible Anpassung der Aufmerksamkeit unter Stress, aber auch auf eine verminderte Nutzung von nominell irrelevanten Stimulusinformationen zur Beeinflussung der Reaktionsauswahl hin.