Die Studie untersuchte, ob Erfahrungen von Kindesmisshandlung in der Kindheit und Jugend einer Mutter ihre eigene Bindung zu ihrem eigenen Kind nach der Geburt beeinflussen und ob dieser Zusammenhang durch Glukokortikoide vermittelt wird.
Eine Kohorte von N = 269 schwangeren Frauen im Rahmen der Studie DREAMHAIR machte Angaben zu Misshandlungserfahrungen in Kindheit und Jugend (physischer, emotionaler und sexueller Missbrauch sowie physische und emotionale Vernachlässigung) und psychologischen Variablen. Nach der Geburt wurden Haarproben entnommen, um die Langzeitkonzentration von biologischen Stressmarkern, in diesem Fall Cortisol und Cortison, nicht-invasiv und zuverlässig zu messen. Die Mutter-Kind-Bindung wurde 8 Wochen und 14 Monate nach der Geburt mittels Fragebögen erfragt. Die Ergebnisse zeigten signifikante Korrelationen zwischen Kindesmisshandlung und Mutter-Kind-Bindung sowie den Cortisolwerten im Haar der Mutter nach der Geburt. Regressionsanalysen ergaben, dass Kindesmisshandlung mit einer beeinträchtigten Bindung einhergeht, insbesondere war die Subskala emotionaler Vernachlässigung mit einer beeinträchtigten Bindung assoziiert. Jedoch zeigten die Analysen, dass für den gefundenen Zusammenhang von Kindesmisshandlung und Mutter-Kind-Bindung vor allem die mentale Gesundheit der Mutter eine entscheidende Rolle spielt. Der Zusammenhang wird dabei in unseren Analysen durch depressive Symptome der Mutter postpartal erklärt und nicht durch die Glukokortikoidspiegel im Haar. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass erlebte Kindesmisshandlung (insbesondere emotionale Vernachlässigung) das Risiko von Bindungsschwierigkeiten in einer relativ gesunden Bevölkerungsstichprobe erhöhen kann, obwohl aktuelle depressive Symptome der Mutter eine wichtigere Rolle zu spielen scheinen. Weitere Untersuchungen an stärker betroffenen Stichproben sind jedoch erforderlich, um das komplexe Zusammenspiel zwischen langfristiger Glukokortikoidsekretion und Bindung zu verstehen.
Der Artikel »The effect of maternal childhood maltreatment on postpartum mother–child bonding and maternal hair glucocorticoids« erschien in der Zeitschrift European Journal of Psychotraumatology und ist frei verfügbar.