Die zunehmende ethnische Diversität in modernen Gesellschaften geht mit der Frage einher, wie das Zusammenleben zwischen Menschen mit unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Hintergründen positiv gestaltet werden und eine friedliche gesellschaftliche Integration gelingen kann. Eine Voraussetzung für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und eine konstruktive Auseinandersetzung mit zunehmender Diversität ist Intergruppenkontakt, der Kontakt zwischen Mitgliedern unterschiedlicher sozialer Gruppen. Die (zunehmenden) Möglichkeiten für einen solchen Kontakt in diverser werdenden Gesellschaften werden allerdings nicht immer genutzt, und der Kontakt wird häufig sogar aktiv vermieden.
Im Projekt gehen wir daher der Frage nach, wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund die Bereitschaft zu Intergruppenkontakten erhöht werden kann. Eine zentrale Rolle nehmen dabei aus unserer Sicht soziale Normen ein. Soziale Normen sind Standards, die innerhalb von Gruppen bestehen und bestimmte Einstellungs- und Verhaltensmuster von Gruppenmitgliedern wahrscheinlicher machen. Soziale Normen können also einen starken Einfluss auf individuelles Handeln ausüben. Entsprechend sollte die individuelle Kontaktbereitschaft davon abhängen, in welchem Ausmaß wahrgenommene soziale Normen Intergruppenkontakte als normal und positiv darstellen.
In unserem Projekt planen wir den Einfluss von drei unterschiedlichen Quellen, aus denen soziale Normen abstrahiert werden können (das Verhalten anderer Eigengruppenmitglieder, zusammenfassende Informationen über die Eigengruppe und von Eigengruppen-Institutionen), auf die individuelle Kontaktbereitschaft zu untersuchen. Wir nehmen dabei an, dass soziale Normen vor allem dann verhaltensleitend wirken, wenn deren Inhalte mit den Einstellungen (gegenüber der Fremdgruppe bzw. Diversität im Allgemeinen) des Individuums kompatibel sind und sich Individuen, die die Normen rezipieren, mit der entsprechenden Gruppe, in der die Normen existieren, identifizieren. Folglich untersuchen wir ideologische Einstellungen in Form von Right-Wing-Authoritarianism sowie, zusätzlich, Eigengruppenidentifikation als potentiell moderierende Variablen des Zusammenhangs zwischen sozialen Normen und der Bereitschaft zu Intergruppenkontakten.
Die sozialpsychologische Forschung zu Intergruppenkontakt hat bislang primär die Folgen von Intergruppenkontakten fokussiert. Nur wenige Studien haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Faktoren die Bereitschaft für Intergruppenkontakte fördern. Durch das beantragte Projekt schließen wir somit eine wichtige Forschungslücke.
Unsere Annahmen überprüfen wir in mehreren experimentellen Studien, in denen wir die soziale Norm im Rahmen unterschiedlicher Norm-Quellen manipulieren und die Bereitschaft zu Intergruppenkontakten mit Hilfe neuer und verhaltensnaher Operationalisierungen messen. Die Studien werden online und im Labor mit Studierenden und Personen aus der Allgemeinbevölkerung durchgeführt.
In unserem Projekt nehmen wir eine sozialpsychologische Perspektive auf innergesellschaftliche Konflikte und deren Prävention ein. Das Projekt bewegt sich im Grenzbereich zwischen Grundlagenforschung und praxisrelevanter Forschung. Wir nehmen an, dass sich aus dem Projekt Erkenntnisse für die Prävention und Intervention ableiten lassen, die nicht nur konkrete Programme betreffen, sondern auch generelle politische Entscheidungen informieren können. Dabei ist zu beachten, dass soziale Normen relativ gut beeinflussbar sind – insbesondere im Vergleich zu individuellen Merkmalen, die bislang hauptsächlich fokussiert wurden. Gleichzeitig können über die Veränderung sozialer Normen viele Menschen gleichzeitig erreicht werden.