Zum Start des Wintersemesters 2022/23 richtete das St Hilda’s College der University of Oxford das nächste Event der »Brain & Mind«-Reihe aus. Das Thema des Abends »Belief and the Brain« bildet den Auftakt zu einer dreiteiligen Reihe, die thematisch aufeinander aufbaut. In gemütlicher Atmosphäre in der HafenCity konnten wir Vorträgen lauschen, die sich dem Thema Glaube bzw. Überzeugung aus verschiedenen Perspektiven näherten. Zwischendurch gab es immer wieder Zeit für Fragen und Diskussion.
Den Anfang machte Dr. Daniel Yon mit seinem Vortrag »Seeing is believing«. Der Neurowissenschaftler und Experimentalpsychologe der Birkbeck University stellte zunächst grundlegende Ergebnisse aus der Psychologie und den Neurowissenschaften vor, die das heutige Verständnis des Geistes in der Forschung skizzieren. Dabei deutet vieles darauf hin, dass die Grenze zwischen Wahrnehmung und Glauben durchlässiger ist, als es zunächst scheint. In seinem Vortrag zeigte er anhand von Studien, wie unser Gehirn eingehende Informationsströme nicht immer linear verarbeitet und sogar vermischt und bot so auch eine neue Perspektive auf Erfahrungen wie z. B. Halluzinationen. Letztendlich deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass Sehen tatsächlich Glauben bedeutet - aber nicht so, wie wir es vielleicht zunächst erwarten.
Im anschließenden Vortrag »So Help Me God? Religious Discrimination in the Courtroom« zeigte der Psychologe Prof. Ryan McKay (Royal Holloway University of London) anhand eines konkreten Beispiels, wie starke Überzeugungen in der Praxis zu Problemen und Vorurteilen führen können. In einer aktuellen Forschungsarbeit beschäftigt er sich mit dem in Ländern wie Großbritannien, Irland oder den USA gängigen Verfahren, vor Gericht öffentlich entweder mit einem religiösen Eid oder einer weltlichen Affirmation zu erklären, dass wahrheitsgemäß ausgesagt wird. Im Vortrag legte er Beweise dafür vor, dass die Wahl zwischen Eid und Affirmation nachweislich Auswirkungen auf das Urteil von Geschworenen hat – und zeigt damit, wie Überzeugungen über uns und die Welt im Negativen wirken können.
Nach einer kurzen Diskussionsrunde mit Fragen aus Hamburg und Oxford schloss Dr. Guy Longworth mit seinem Vortrag »Some varieties of believing«. Der Philosophie-Professor an der University of Warwick unterscheidet zwischen zwei Ansichten über den Glauben: der gewöhnlichen Sichtweise und einer, die weniger gewöhnlich erscheint. Auf Grundlage einiger Arbeiten von John Cook Wilson wirft er einige Fragen auf, die anschließend diskutiert wurden.
Der Abend endete mit einer abschließenden Diskussionsrunde und einem gemeinsamen Essen mit viel Zeit zum Austausch. Wir bedanken uns für die spannenden Vorträge und die Organisation beim St Hilda’s College.